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Interkulturelle Kompetenz. Achtung vor Gesichtsverlust.Joachim* war Einkäufer bei einem großem Unternehmen. Für andere Kulturen hatte er sich bislang nie näher interessiert – bis eines Tages sein beruflicher Aufstieg vom Erfolg einer Asienreise abhing.

Über mich hatte Joachim von einem Produzenten in Indonesien erfahren der sein Projekt zwei Jahre in die Zukunft katapultieren hätte können – und Joachim erhoffte sich dadurch einen beruflichen Aufstieg. Mr. Lee, den Inhaber, kannte ihn von einer früheren Reise, auf der ich ihn privat kennengelernt und im Nachhinein mehrmals getroffen hatte.

Über zwei Wochen begleitete mich Joachim durch viele Länder Asiens. Er wollte sich auf einen einzigen Termin vorbereiten und vor allem beobachten wie Geschäfte gemacht wurden. Großzügigerweise genehmigte ihm sein damaliger Chef ‚den Luxus‘ des 3wöchigen Lernens ‚on-the-job‘.

Egal in welchem Land wir gerade waren, überall hatte Joachim etwas zu bemängeln – und das Schlimmste für ihn: Endlos dauernde Besprechungen, sinnloses Vorgeplänkel, zu wenig Effizienz in Besprechungen, emotionale Diskussionen, schreiende Geschäftspartner und dass wir zu guter letzt auch noch jede freie Minute mit meinen Geschäftspartnern und deren Familien verbrachten.

Am Ende unserer Reise, nach über 3 Wochen, stand dann endlich Joachims Termin auf dem Kalender. Er legte große Hoffnungen in sein Gespräch mit Mr. Lee, war sichtlich nervös als wir am frühen Morgen unser Hotel verließen und wollte all seine Erfahrungen der letzten Wochen einbringen.

Als wir in Surabaya angekommen waren, wartete schon Mr. Lees Fahrer und brachte uns direkt in das Unternehmen. Mr. Lee begrüßte uns herzlich und neugierig wie er war, wandte er sich schon nach wenigen Minuten an Joachim: Wie ihm das Land gefalle, wie lange er in der Stadt bleiben wolle und womit er sein Geld verdiene. Letzteres war für Joachim Grund genug, um endlich loslegen zu dürfen.

Joachim zog seinen großen silbernen Koffer unter dem Tisch hervor und knallte ihn vor Mr. Lee auf den Tisch. Er riss ihn auf, kramte darin und präsentierte Mr. Lee euphorisch jede Menge Prototypen die er aus Österreich mitgebracht hatte. Erst jetzt, Joachim war noch immer voll in Fahrt, brachten zwei Mädchen den Tee, fanden jedoch auf den Tischen keinen Platz mehr. Joachims Prototypen hatten jeden Winkel des großen Tischen belegt.

Ich weiß nicht mehr, ob Joachim nur eine Verschnaufpause eingelegt hatte, oder ob er nur auf eine Rückmeldung von Mr. Lee gewartet hatte. Dieser griff lächelnd zu seiner Tasse und rührte langsam und mit leicht gesenkten Kopf darin herum. Schweigen. Joachim schien sein Lächeln positiv zu deuten, denn gerade als er fortsetzen wollte, hob Mr. Lee seinen Kopf, grinste Joachim an und fragte ihn ob er nicht seine Krawatte ablegen wolle, es sei sehr heiß in diesem Land. Verdutzt wollte Joachim gerade antworten, doch Mr. Lee schwenkte sofort seinen Kopf in meine Richtung und fragte mich: „Tell me – how is your family?“ …

Es ist an dieser Stelle nebensächlich welchen weiteren Verlauf die Besprechung genommen hatte – Joachim war in wenigen Minuten in tödliche Fettnäpfchen getreten und „sein“ Geschäft war letztendlich wohl nur Mr. Lee’s Solidarität gegenüber unserer bisherigen Kontakte zu verdanken. Schmerzhaft hatte Joachim erfahren müssen was es heißt, interkulturelle Barrieren zu ignorieren.

Epilog:
9 Monate später reiste Joachim noch einmal nach Asien – alleine. Von 6 geplanten Geschäften brachte er ein einziges zum positiven Abschluss. Es war Joachims letzte Reise in diese Region gewesen…

(* Anmerkung: Name geändert)

Hannes Treichl

Ahoi, ich bin Hannes und das ist mein Wohnzimmer. In diesem Blog findest du persönliche Gedanken, Geschichten und Inspirationen für Wirtschaft, Beruf und Leben – weil alles ohnehin untrennbar miteinander verbunden ist. ICH | BLOG | PODCASTS | RAUCHZEICHEN.LIVE