Alles für die Masse!
„Ich habe auf Internationale Küche umgestellt. Schweinebraten, Schlutzkrapfen, Pasta, Pizza, ein wenig Chinesisch, Thai und Indisch. Unterscheiden kann es eh keiner. Meine Karte hat jetzt 25 Seiten.“
„Hier erhalten Sie Größen von 34-46„, steht über der einst für exklusive Mode beliebten Boutique. (Nebenbemerkung: Schon beim Betreten des nun nach Größen statt nach Stilen sortierten Ladens wechselt die Sprache auf das hierzulande übliche Du…)
Der Einzel(!)unternehmer titelt auf seiner Webseite: „WIR setzen Projekte in allen gängigen CMS Systemen um: WordPress, Joomla, Typo3, Drupal und anderen.“
Und das einstige Wanderhotel ist heute auf Rad- und Motorradfahrer, Hundebesitzer, Wellnesssuchende, Möchtegerngourmets, Romantiker und Hofer-Reisen (Billigst-)Urlauber spezialisiert. „Weil wir möglichst viele Gäste ansprechen wollen.“
Botschaften, Slogans, Versprechen Lügen die Kunden zum Eintreten, Verweilen und Wiederkommen bewegen sollen. Fehlende Authentizität, verwässerte Bauchläden, zu viele Wahlmöglichkeiten in einer ohnehin zu komplizierten Welt. Für jeden soll etwas dabei sein. Damit auch bestimmt jeder glücklich wird. Zur Positionierung fehlt der Mut. So wie auch zum Nein-Sagen zu „eigentlich“ nicht ins Konzept passenden Anfragen, Menschen, Unternehmen.
Es geht auch ganz anders…
Julia Weiskoenig ist Jungdesignerin. Sie arbeitet ausschliesslich mit alten Lederresten und Lederabfällen. „Wichtig ist mir, Dinge zu schaffen die nachhaltig sind. Zum Wegwerfen Bestimmten wieder Wert zu geben.“ Auch wenn sie es könnte: Schmuck aus anderen Materialien herzustellen kommt nicht in Frage. „Ich stehe für Upcycling von Leder“, erzählt sie mir ohne lange Umschweife.
Auch wenn das Mail, in dem du mich auf dein immer erfolgreicher werdendes Label aufmerksam gemacht hast, schon lange zurück liegt: Wegen der klaren Positionierung bleibst du mir in Erinnerung, Julia.
So wie Bethlehem Tilahun Alemu. Ihr Label soleRebels, ausschließlich aus ausgedienten Autoreifen hergestellten Schuhe & Taschen, hat längst die Shoppingmeilen der Welt erobert.
So wie der begnadete WordPress Programmierer. – „Joomla, tut mit leid, das können andere besser als ich.Auch wenn ich ‚damals‘ damit aufgewachsen bin.“
Hilfe, wie die Zeit vergeht! Dennoch erinnere ich mich gerne 15 Jahre zurück. An den Unternehmer in Indonesien, der sich auf die Herstellung von XXXL Kleidung für die amerikanische Upper-Middle-Class spezialisiert hat – und das unter vorzeigbaren Produktionsbedingungen und ganz ohne Kinderarbeit.
So wie Nicole & Hannes. – Auf Ihrer Projektseite lese ich jeden Tag eine Geschichte über nachhaltig agierende Unternehmen, um eine Kultur des Bessermachens zu entfesseln. Weg von schlechten Nachrichten hin zu Beispielen optimistisch handelnder Menschen.
So wie jenes Gasthaus, das Menschen seit über 50 Jahren vor allem wegen eines Gerichts kennen, besuchen und lieben: Der Eiterbeule.
So wie Claudia Helming. Ihre als verrückt verurteilte Idee eines (Internet-)Shops, in dem man ausschließlich Selbstgemachtes (ver)kaufen kann, hat sie zu einer der erfolgreichsten Start-Up Unternehmerinnen Deutschlands gemacht hat.
So wie Tom und Julia, die sich inmitten einer von Logozeichnern, Plakat-, Anzeigen und Kataloggestaltern dominierten Agenturlandschaft auf Markenentwicklung für inhabergeführte Kleinbetriebe spezialisiert haben. Haltet durch! Die meisten Eurer Kunden sind noch nicht so weit.
So wie Christa & Wolfgang. Es hat Spaß gemacht Euer Hotel auf dem Weg zum etabliertesten (und einzigen) Hildegard von Bingen Hotel Europas zu begleiten.
So wie Floyd Hayes. Seine Agentur liefert die schnellsten Ideen der Welt ab.
So wie Alfred Hitchcock oder Stephen King. Warum haben sie zwischendurch nicht mal Heimatfilme oder Liebesschnulzen gedreht?
So wie Lois Hechenblaikner. Einer der sich – anders als alle anderen – nicht auf preisumkämpfte realitätsverblumende Fotografie spezialisiert hat. Mit seiner Kamera fängt er (touristische) Schattenseiten und daraus resultierende Veränderungen ein.
So wie Margret Schiestl. Ein Vogel brachte sie auf die Idee, im Zeitalter taiwanesischer Massenproduktion Einzelstücke zu fertigen. Handarbeit in einem Land hoher Lohnkosten zu Preisen, die man sich gerne leistet. Margret & Melanie, Ihr seid für mich die perfekte Symbiose aus Kreativität, Tradition, Moderne und Kunst.
So wie viele, nein, unzählige andere.
So wie vielleicht auch DU!
Liebe mich!
Oder hasse mich.
So oder so, bleib ich in deinem Kopf 🙂
Bauchläden enden fast immer in der unattraktiven bis tödlichen Preisspirale.
Positionierung differenziert (noch immer).
— Und Möglichkeiten gibt es unendlich viele.
Fotos: Eigene bzw. Webseiten o.a. Unternehmen