Über den Niedergang eines Evangeliums in 3 Tagen und worauf auch StartUps achten sollten.
Seit März 2005 ist Paris eine der heiligen Stätten einer eingeschworenen (Web-)Fangemeinde. Was mit ihrer Konferenz LesBlogs begann, endet (?) als LeWeb3 – eine Achterbahn an Leehrbeispielen und eine Konfrontation mit der ‚echten‘ Welt.
Welcome to the real world 1
1,000 Jünger aus 37 Ländern pilgerten nach Paris, nahmen Reisekosten in Kauf und machten 300 EUR Eintritt locker, um ihre Evangelisten hautnah miterleben zu dürfen.
Die Erwartungshaltung: Überaus hoch, dafür sorgte auch der Veranstalter. Wer aber (zu?) hohe Erwartungen weckt, muss sich verdammt anstrengen, um diese zu erfüllen.
Foto: Companice
Da reicht es dann schon wenn das Essen nicht schmeckt, der Internetzugang nicht funktioniert, (vermeintlich zu viele) Journalisten dabei sind, oder Politikern (Wahlkampf-)Redezeit eingeräumt wird. Man diskutiert, man wundert sich, man ärgert sich, man tobt – dabei war das Naheverhältnis des Veranstalters zur Politprominenz doch bekannt:
Le Meur ultimately announced his support for Sarkozy in the 2007 presidential election. [Wikipedia]
Hat die Wirklichkeit die Community eingeholt? Wollte man das nicht immer – Aufmerksamkeit der Nicht-Insider-Welt?
[In March 2005…] we where still at the point that we had to explain to the outside world what blogging was. […] that felt like a rollercoaster with men in suits, kilts, orange shirts and women with furry hats, great dinners with fellow Dutchmen and people from all over the world, parties, companies with business models […] At Leweb3 there were almost as many journalists from mainstream media as attendees at LesBlogs…. [Gnispen Blog]
Welcome to the real world 2
Auf unzähligen Blogs ist immer wieder über die vermeintliche Unfähigkeit vieler Unternehmen im Umgang mit Kritik zu lesen. Wie man es richtig macht, zeigt Loic Le Meur (Evangelist) im Rahmen von LeWeb3.
Der Gründervater, bezeichnet den die Konferenz kritisierenden Sam Sethi (Evangelist), Publisher des britischen Ablegers von TechCrunch (Evangelium), in einem, mittlerweile der Zensur zum Opfer gefallenen, Kommentar als ‚asshole‘…
Welcome to the real world 3
Michael Arrington (Evangelist), Chef von TechCrunch, feuerte über Nacht seinen britischen ‚Star‘-Blogger und setzte TechCrunch UK auf ‚On hold‘. Ja, auch Stars müssen geführt werden, Mr. Arrington – wie in der echten Welt! [vgl. Hierchie bei Wikipedia]
Arrington gibt ein weiteres Beispiel dafür, wie man mit Kritik seiner Kunden Community umgeht:
I’m losing interest in debating this. I did what I felt was right, and Sam certainly drove this to the inevitable conclusion by his actions today. That’s the end of it.
If users are this upset over the decision, we can just shut the blog down. We’ll be reading user comments closely in making this decision. [TechCrunch]
Ich stell mir gerade einige Gesichter und Stimmen vor, hätten so gern kritisierte Unternehmen wie die Deutsche Bahn, Coca Cola, Microsoft oder WalMart auf diese Weise mit ihren Kunden geredet…
Welcome to the real world – meine Sicht der Dinge
Was mir in diesem Zusammenhang noch einfällt: Theorie und Praxis, Wein predigen und Wasser trinken. Die Grundregeln im Umgang mit Menschen, Kunden und Mitarbeitern, mit Kommunikation und Führung, usw. gelten auch für jedes eCommerce StartUp. Matias Rosko schrieb gestern:
Die Entwicklung hin zu Social Commerce Plattformen ist toll. […] Aber umsatztechnisch sind wir noch ganz ganz am Anfang. So zumindest mein Eindruck. Da muss noch viel getan werden. [VisualBlog]
Dem schließe ich mich an. Mehr noch: Bei einem Blick hinter die Kulissen so mancher StartUps stellt man fest: Wir sind noch nicht einmal am Anfang. Schade, denn mit etwas mehr Fokus auf (sozialer) Weiterentwicklung, gäbe es weniger ‚ich-schlaf-gleich-ein-Präsentationen‘ (Authentizität ok, aber das kann man auch spannender gestalten), bessere Gespräche, weniger Missverständnisse mit Alte-Welt-Menschen, freundlichere eMails,…
Eine Geschäftsidee, technisches Können und eine schöne Webseite alleine reichen nicht! Viele scheinen bei aller Euphorie des schnellen Wachstums auf Personal- und Teamentwicklung (damit meine ich mehr als großzügige Kaffeepausen und originelle Schreibtische) zu vergessen oder kein Geld investieren zu wollen. Dabei gelten auch bei Euch die gleichen Grundregeln wie in jedem anderen Unternehmen :
Am Ende des Tages sind es Eure Mitarbeiter und Eure Kunden, die Euch erfolgreich machen oder zu Grabe tragen. eCommerce und Social Web: Ja, volles Committment! Aber: Redet nicht nur davon – denkt auch an die Menschen, genau darum gehts nämlich bei der Umsetzung!