Die Überschrift könnte genauso gut lauten: „Crowdsourcing als Rettung für Österreichs Fußball?„, denn als Österreicher verliert man in Zeiten dubioser Sponsorgeld-Zahlungen, Verhaftungen ehemaliger Präsidenten, Rangeleien um Lizenzen für die nächste Spielsaison oder diversen Kasperltheatern rund um Punkteabzüge irgendwie das Interesse an dem Sport…
…wäre da nicht bei Springwise ein Hinweis auf ein Experiment, das auch Österreichs Fußball mehr nutzen als Schaden könnte:
Crowdsourcing als Managementgrundlage eines Fussballclubs.
Wie das gehen soll? 50,000 Menschen sollen sich bei MyFootballClub registrieren. Jeder bringt 35 britische Pfund mit, so kommt eine Summe zusammen die hoch genug ist, um einen Club samt Management zu übernehmen (Crowdfunding). Welchen Club, entscheiden natürlich die User selbst.
Nach Abschluss des Kaufs, wird ein Management Team gebildet – eine Mischung exisitierender Funktionäre und den neuen Inhabern des Clubs. Für alle wichtigen Entscheidungen über Finanzen, Spielertransfers oder Stadionmanagement soll die die Weisheit der Vielen“ genutzt werden. Und auch wenn es um den Spieltbetrieb geht, sollen Amateur-Manager für Fragen rund um die Aufstellung, Taktik oder Auswechslungen konsultiert werden. So wird endlich jeder besserwissende Fußballfan zum mit-entscheidenden Trainer.
You will vote on team selection and formation. You will also have a say in tactics, by voting for your preferred style of play and substitutions depending on match situations. The Head Coach will field the 11 players, formation and tactics chosen by MyFootballClub members.
To help your decision-making, the Head Coach and players will give regular video briefings. There will also be reports from the training ground and members can submit Opposition Scouting Reports.
You will vote whether to approve or veto transfers in and out of the football club. You will also be able to suggest potential transfer targets and submit Player Scouting Reports.
You will vote on how to allocate club funds, whether it’s on transfers, youth policy or the stadium. You will also vote on major club decisions, such as which kit manufacturer to use.
Laut den Grundtheorien von Crowdsourcing soll die Entscheidungsqualität von Vielen ja über derer von Wenigen liegen. Zumindest dann wenn einige Regeln eingehalten werden, wie z.B. diese: Meinungsvielfalt, Unabhängigkeit, Dezentralisierung und Aggregation der Ergebnisse.
Für gewöhnlich bedeutet Durchschnitt Mittelmaß, bei Entscheidungsfindungen dagegen oft Leistungen von herausragender Qualität. (James Surowiecki, „Die Weisheit der Vielen“ – siehe Buchempfehlung in der Seitenleiste)
Dass bei MyFootballClub die Letztentscheidung bei einigen Wenigen liegt, könnte der Begeisterung irgendwann den Wind aus den Segeln nehmen, zumindest dann, wenn die Entscheidungsträger die „Crowd“ regelmäßig überstimmen. Die in einigen Bereichen gewisse Halbherzigkeit in der Umsetzung zeigt auch, dass Unternehmer und Unternehmen noch nicht ganz von den Thesen überzeugt sind, bzw. sich eine gewisse Portion „Besserwisserei“ anmaßen – denn immerhin sind wir an diese Methode gewöhnt. Best Practice Beispiele echter demokratisch geführter Unternehmen gibt es im großen Stil eben noch keine.
„Alle Open Source Modelle haben einen Diktator. Auch wenn mir das Wort selbst nicht gefällt. Es braucht einen bestimmten Grad an Monarchie. Anders wären wir entscheidungsunfähig und zu langsam.“
(Jimmy Wales, Wikipdia Gründer. „The Queen of England“, „Diktator des Wissens“)
Vielleicht sind es kulturelle Hürden, die früher oder später zu Unlust, mangelnder Beitiligung, Diskussionen oder Zwist in der Community, oder gar zu einem Scheitern des Projekts führen – weil die (hohen?) Erwartungshaltungen der Fans unter Umständen nicht erfüllt werden.
Oder aber es ist genau jener Schlüssel, jene perfekte Kombination zwischen Beteiligung von Fans/Kunden (=Kundenbindung) und verbleibender Entscheidungsmacht des Managements, nach der manche Unternehmen schon lange suchen. All diese Fragen machen das Experiment interessant und verfolgenswert.
Ist MyFootballClub ein Spiel, oder ein ernst gemeinter revolutionärer Sportmanagement-Ansatz? Wir werden sehen. Bislang ist das Interesse an dem Projekt jedenfalls groß. In nur 2 Wochen haben sich bereits 22.500 Mitglieder registriert. Lassen wir uns überraschen wie konsequent das Projekt am Ende umgesetzt wird, und ob es als Beispiel für eine herausragende Crowdfunding- / Crowdsourcing Initiative, oder als interaktives Simulations-Spiel in die Archive eingehen wird.
Dass die Idee eines demokratisch geführten Fußballclubs nicht ganz neu ist weiß Burkhard Schneider. Warum, das liest man am besten direkt im Best Practice Business Blog nach.
www.myfootballclub.co.uk | Foto: Flickr